Mercedes-Benz W 154 (1938 bis 1939)

Im September 1936 steckt die Motorsport-Behörde AIACR die von 1938 an geltende Grand-Prix-Formel ab. Die Kernpunkte: maximal 3 Liter Hubraum mit Kompressor oder 4,5 Liter für Saugmotoren, mindestens 400 und höchstens 850 Kilogramm Gewicht, je nach Hubraum. Diese Vorgaben verlangen die Entwicklung eines ganz neuen Fahrzeugs. Die Saison 1937 ist noch in vollem Gang, als bei Mercedes-Benz bereits die Entwicklung des Rennwagens für das nächste Rennjahr startet.

Die Rennsport-Ingenieure denken in alle Richtungen: Sie erwägen einen W24-Saugmotor mit drei Bänken und je acht Zylindern ebenso wie einen Heckmotor, direkte Benzineinspritzung und Vollstromlinie. Vor allem aus thermischen Gründen entscheiden sich die Konstrukteure schließlich für einen V12 mit 60 Grad Gabelwinkel, den der Spezialist Albert Heeß im Hause Daimler-Benz selbst entwickelt. Je drei geschmiedete Stahlzylinder sind in aufgeschweißten Stahlblech-Kühlmänteln vereint, die Köpfe nicht abnehmbar. Starke Pumpen lassen pro Minute 100 Liter Öl durch das rund 260 Kilogramm schwere Aggregat laufen. Unter Druck gesetzt wird es zunächst von zwei Einstufenkompressoren, die 1939 von einem Zweistufenkompressor ersetzt werden.

Bereits ab Januar 1938 arbeitet der Motor auf dem Prüfstand. Sein erster fast störungsfreier Probelauf folgt am 7. Februar, wobei er mit 427 PS (314 kW) bei 8.000/min aufwartet. Im Durchschnitt stehen den Fahrern in der ersten Hälfte der Saison 430 PS (316 kW) zur Verfügung, am Ende sind es mehr als 468 PS (344 kW). Über das mit 483 PS (355 kW) stärkste Exemplar verfügt Hermann Lang beim Großen Preis von Frankreich in Reims. Und erstmals hat ein Rennwagen von Mercedes-Benz fünf Gänge.

Viel leichter als seine Kollegen von der Motorenentwicklung tut sich Fahrwerkingenieur Max Wagner, der die fortschrittliche Chassis-Architektur des W 125 aus dem Vorjahr weitgehend unverändert übernimmt, dem Rahmen allerdings eine noch einmal um 30 Prozent verbesserte Verwindungssteifigkeit gibt. Der V12-Motor ist tief eingebaut. Die Lufteinlässe der Vergaser schauen mitten aus dem Kühler hervor, der Grill davor wird im Vorfeld der Saison immer breiter. Der Pilot sitzt rechts neben der Kardanwelle, sodass der W 154 tief geduckt über dem Asphalt kauert. Seine Räder überragen deutlich die Karosseriesilhouette. Das sorgt nicht nur für einen optisch-dynamischen Auftritt, sondern senkt auch beträchtlich den Schwerpunkt. Die Werkspiloten, auf deren Erfahrung sich Technikchef Rudolf Uhlenhaut fast unbesehen verlassen kann, zeigen sich spontan äußerst angetan von der Straßenlage des W 154.

Silberpfeile vom Typ W 154 als Fracht: Mercedes-Benz Renntransporter in den 1930er Jahren.
Silberpfeile vom Typ W 154 als Fracht: Mercedes-Benz Renntransporter in den 1930er Jahren.
Eindrucksvolle Dominanz: Dreifachsiege in Serie

Und tatsächlich übertrumpft der W 154 die exzellenten Vorgaben seiner Vorgänger: Dieser Silberpfeil bringt der Rennabteilung von Mercedes-Benz die meisten Siege der Epoche. Das erste Rennen der Saison 1938 endet noch mit einer Enttäuschung: Auf der kurvenreichen Strecke in Pau/Frankreich kann der Wagen sein volles Potenzial nicht ausspielen und wird durch einen Tankstopp zurückgeworfen. Doch dann geht es Schlag auf Schlag. Das Rennen um den Großen Preis von Tripolis wird zum Dreifachsieg von Lang, von Brauchitsch und Caracciola. Beim großen Preis von Frankreich wiederholt Mercedes-Benz das Kunststück mit der Reihenfolge von Brauchitsch, Caracciola und Lang. Der Brite Richard Seaman, seit 1937 im Team, siegt beim Großen Preis von Deutschland auf dem Nürburgring vor dem von Caracciola und Lang gemeinsam gefahrenen Wagen, während anschließend Hermann Lang die Coppa Ciano in Livorno und Rudolf Caracciola die Coppa Acerbo bei Pescara gewinnen. Beim Großen Preis der Schweiz kommen wieder drei W 154 auf die ersten Plätze (Caracciola, Seaman und von Brauchitsch), Rudolf Caracciola wird zum dritten Mal Europameister. Die Auto Union, deren Spitzenfahrer Rosemeyer bei Rekordfahrten im Januar 1938 tödlich verunglückt war, kann erst gegen Ende der Saison einzelne Erfolge verzeichnen.

1939, in der letzten Rennsaison vor dem Zweiten Weltkrieg, knüpft Mercedes-Benz mit dem W 154 an die Erfolge des Vorjahres an. Das erste Rennen der Saison ist der Große Preis von Pau, den Hermann Lang auf W 154 vor Manfred von Brauchitsch für sich entscheidet und sich so für die Niederlage im vergangenen Jahr revanchieren kann. Auch beim Eifelrennen im Mai kommt Lang als erster Fahrer ins Ziel, Caracciola wird Dritter, von Brauchitsch Vierter.

Der Zweite Weltkrieg verhindert Carraciolas vierten Europameistertitel

Hermann Lang führt diese eindrucksvolle Siegesserie weiter. Beim Wiener Höhenstraßen-Rennen holt er sich den Sieg im W 154 Bergrennwagen (von Brauchitsch 3.), die Platzierung wiederholen die beiden Piloten auch beim Großen Preis von Belgien in Spa. Caracciola gewinnt – zum fünften Mal – den Großen Preis von Deutschland auf dem Nürburgring. Beim Grand Prix der Schweiz kommt Lang vor Caracciola und von Brauchitsch ins Ziel. Er gewinnt auch das Rennen um den Großen Bergpreis von Deutschland am Großglockner und wird dadurch Deutscher Bergmeister 1939. Er ist eindeutig der beste Fahrer des Jahres, aber den Titel eines Europameisters kann die zuständige Behörde, die AIACR in Paris, nach Kriegsausbruch nicht mehr vergeben.

Internationales-Eifelrennen auf dem Nürburgring, 21. Mai 1939. Rudolf Caracciola (Startnummer 12) errang auf einem Mercedes-Benz W 154 den dritten Platz in diesem Rennen.

Zum letzten Mal starten die Silberpfeile 1939 im 2. Belgrader Stadtrennen am 3. September. Manfred von Brauchitsch kommt mit seinem W 154 auf den 2. Platz hinter Tazio Nuvolari auf Auto Union. Doch zu diesem Zeitpunkt hat bereits der Zweite Weltkrieg begonnen.

Mercedes-Benz W 154
  • Bauzeitraum: 1938 bis 1939
  • Zylinder: V12
  • 
Hubraum: 2962 cm³

  • Leistung: bis 483 PS (355 kW)

  • Höchstgeschwindigkeit: ca. 300 km/h

Quelle und Fotos: Daimler AG
Bild ganz oben: Start zum Großen Preis von Italien in Monza, 11. September 1938. Drei Mercedes-Benz Formel-Rennwagen W 154 in der ersten Startreihe, von links: Startnummer 26: Hermann Lang, Startnummer 4: Manfred von Brauchitsch, Startnummer 12: Rudolf Caracciola. Drei von vier Wagen fielen aus, Caracciola verbeulte das Heck seines Wagens, als er gegen eine Barriere schleuderte. Brauchitsch übernahm den Wagen und sicherte noch einen dritten Platz. 

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